Familienpolitik im Parlament: Rückschau auf die Herbstsession 2019

Familienpolitische Geschäfte

Nach dem der Vaterschaftsurlaub im Ständerat debattiert wurde, setzte sich der Nationalrat diese Herbstsession mit dem familienpolitischen Geschäft auseinander. Die Volksinitiative ‘Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub - zum Nutzen der ganzen Familie’ verlangt, dass Väter einen gesetzlichen Anspruch auf einen mindestens vierwöchigen Vaterschaftsurlaub erhalten. Der indirekte Gegenentwurf der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats sieht einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub vor. Die beiden Räte einigten sich und sprechen sich für den Gegenentwurf aus. Wird die Initiative zurückgezogen, steht der gesetzlichen Umsetzung des Gegenentwurfs – d.h. des 2-wöchigen Vaterschaftsurlaub – nichts mehr im Wege.

Keine Chance hatte die Motion Müller, die einen flexiblen Elternurlaub anstrebt. Hierzu sollte der bestehende Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen durch einen 16-wöchigen Elternurlaub ersetzt werden. Der Ständerat lehnte die Motion mit 23 zu 10 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab, das Geschäft ist damit erledigt.

Im Nationalrat hatte der Bundesrat die Vorlage ‘Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten’ platziert, um die maximalen Steuerabzüge bei der direkten Bundessteuer für die Kosten familienergänzender Kinderbetreuung auf 25'000 Franken zu erhöhen. Dieser Teil der Vorlage wurde bereits durch beide Räte abgesegnet. Zusätzlich sollte aber der allgemeine Kinderabzug von 6'500 auf 10'000 Franken erhöht werden. In beiden Räten wurde fleissig an dieser Ergänzung gefeilt: Nachdem sich der Nationalrat mehrmals für die Erhöhung des Kinderabzugs aussprach, befürwortete schliesslich auch der Ständerat das Anliegen und sprach sich mit 25 zu 17 Stimmen bei 3 Enthaltungen für die Erhöhung des Kinderabzugs aus. Die SP hat hierzu das Referendum angekündigt. Sie bedauert die einseitige Entlastung von Familien mit mittleren und höheren Einkommen. Ausserdem wurde bemängelt, dass die Vorlage ursprünglich aus der Fachkräfteinitiative resultierte (d.h. mit der Absicht, mehr Frauen für den Arbeitsmarkt zu gewinnen), nun aber Interessen der Familienpolitik verfolgt werden. Zudem verursacht die Erhöhung des Kinderabzugs einen hohen Steuerausfall von 350 Mio. Franken für die Bundeskasse.

Mit der Motion Zanetti soll der Bundesrat beauftragt werden, Lösungsvorschläge aufzuzeigen, die befristete Ersatzleistungen für Drittbetreuungskosten vorsehen, welche aufgrund einer krankheits- oder unfallbedingten Unfähigkeit zur Betreuung von betreuungsbedürften Personen anfallen. Die Motion berücksichtigt vor allem die Drittbetreuung von Kindern, aus welcher beträchtliche Kosten erwachsen können und für welche bis anhin keine gesetzlich adäquate Lösung vorgesehen ist. Das Geschäft wurde im Ständerat an die zuständige Kommission zur Vorberatung überwiesen.

Beide Räte haben den Antrag des Bundesrats zur Änderung der Familienzulagen im Ständerat angenommen. Laut diesem haben arbeitslose Mütter, die eine Mutterschaftsentschädigung beziehen, neu auch Anrecht auf Familienzulagen.

Im Nationalrat wurde über die Botschaft zum Bundesgesetz ‘Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung’ debattiert. Es regelt die Lohnfortzahlung bei kurzen Abwesenheiten und schafft einen bezahlten Betreuungsurlaub für Eltern von schwer kranken oder verunfallten Kindern. Das Geschäft wurde durch den Nationalrat mit 129 zu 48 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen. Eltern von schwer kranken Kindern steht damit ein bezahlter Betreuungsurlaub von bis zu 14 Wochen zu.

Die Motion Bischof möchte den Bundesbeschluss zur Volksinitiative ‘Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe’ aufheben. Laut Motionär wurde im Vorfeld der Beratungen zur Initiative mit falschen Informationen argumentiert. Das Bundesgericht hatte die Gutheissung der Abstimmungsbeschwerde zur Volksinitiative bestätigt. Die Motion wurde zurückgezogen, nachdem der Bundesrat den Erwahrungsbeschluss zur Volksinitiative aufgehoben hat und eine Zusatzbotschaft zum Geschäft verabschiedete, welches die gleiche Besteuerung von Ehepaaren beabsichtigt.

Der Bundesrat hat ausserdem zwei familienrelevante Interpellationen des Nationalrats beantwortet. Im Zentrum der Interpellation Frei standen Fragen zur Elternbildung. Der Bundesrat erkennt in diesem Bereich nur einen begrenzten Bildungsbedarf und hat daher nur beschränkt finanzielle Mittel für einzelne Fachorganisationen (Elternbildung CH, Pro Familia) bereitgestellt. Die Interpellation Schilliger verlangte eine Stellungnahme des Bundesrats zur ‘Verbreitung und Wirkung von Betreuungsgutscheinen’. In seiner Antwort verweist der Bundesrat darauf, dass die Wahl eines Finanzierungssystems allein in der Verantwortung und Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden liegt und der Bund Kantonen und Gemeinden deshalb keine Vorgaben zur Art des Finanzierungssystems macht.

Geschäfte mit Bezug zur frühen Kindheit

Mit dem Postulat Gugger soll der Bundesrat eine geeignete Strategie und ein Massnahmenpaket erarbeiten, mit welchen die Förderung der frühen Kindheit zugunsten frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE) wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich umgesetzt werden kann. Das Geschäft wurde im Nationalrat mit 112 zu 76 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Der Bund wird somit beauftragt zu prüfen und berichten, wie die Förderung der frühen Kindheit verbessert werden kann.

Der Ständerat hat die Motion Eymann angenommen. Dadurch hat der Bund im Rahmen der Bildungszusammenarbeit mit den Kantonen und auf Basis des Ausländergesetzes zu prüfen und zu berichten, wie die frühe Sprachförderung vor Eintritt in den Kindergarten im ganzen Land umgesetzt werden kann. Hingegen wurde die Standesinitiative ‘Integrationskosten’ vom Kanton Thurgau abgelehnt. Sie wollte Eltern bei Nichtinanspruchnahme von Sprachfördermassnahmen mögliche Folgekosten (Dolmetscher, Sprachkurse, etc.) aufbürden und strebte hierzu eine Verfassungsanpassung an. Die Vorlage wird nun im Nationalrat behandelt.

Durch das Postulat Lohr wird der Bund beauftragt, Massnahmen, Programme und Initiativen vorzuschlagen, damit Kinder und Jugendliche sich mehr und häufiger bewegen. Das Geschäft wurde durch den Nationalrat angenommen und fordert nun den Bundesrat zum Handeln auf.

Im Ständerat wurden zwei Vorstösse zum Monitoring der Armutssituation und der Armutsprävention behandelt. Die beiden Vorstösse der Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur sehen vor, dass das Programm gegen Armut fortgesetzt und dazu auch ein gesamtschweizerisches Monitoring aufgesetzt wird. Ferner soll geprüft werden, ob das Armutsrisiko bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Bildungsmassnahmen gesenkt werden kann. Beide Motionen wurden durch den Ständerat angenommen und an den Nationalrat überwiesen.

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats forderte den Bundesrat in seiner Motion auf, Massnahmen zur Verringerung der sozialen Selektivität (z. B. Stipendien, Weiterbildung, Grundkompetenzen, höhere Berufsbildung, Sprachförderung) vorzusehen. Das Geschäft wurde durch den Nationalrat mit 101 zu 82 Stimmen angenommen und damit an den Ständerat überwiesen.

Die Motion Kälin beabsichtigt, das Bundesgesetz über die Krankenversicherung so anzupassen, dass die Kostenbefreiung während einer Schwangerschaft ab der ersten, und nicht erst wie bisher ab der 13. Schwangerschaftswoche, greift. Die Motion wurde mit 135 zu 44 Stimmen angenommen und wird als nächstes im Ständerat behandelt.

Schliesslich sieht die Motion Feri vor, dass der Bundesrat die geltenden ‘Werbebeschränkungen für Säuglingsanfangsnahrungen’ auf Folgenahrungen bis zum Alter von zwölf Monaten ausdehnt. Laut Stellungnahme des Bundesrats sind die gesetzlichen Grundlagen aber gegeben und müssen strikter angewendet werden, sollte eine gütliche Einigung mit der betroffenen Industrie nicht zustande kommen. Die Motionärin erkennt diese Bemühungen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen an und hat deshalb ihre Motion zurückgezogen.

Neue Vorstösse aus der Herbstsession 2019

Während der Herbstsession 2019 wurden die folgenden neuen Vorstösse eingereicht. Die komplette Liste liegt jeweils 2-3 Wochen nach der Session vor.

Hängige Vorstösse und Geschäfte:

Noch hängig sind die folgenden Vorstösse und Geschäfte mit familienpolitischen Anliegen: